„Russenpeitsche“ – Was für ein Schwachsinn!

Russenpeitsche? Da lacht der Husky!
Russenpeitsche? Dieser Husky kennt die richtige „Rückwärtstrajektorie“ und lacht darüber!

Vielleicht haben Sie in der letzten Woche auch in diversen Fachblättern für Meteorologie, unter ihnen das Leitmedium Berliner Kurier & Co., etwas über eine Russenpeitsche gehört, die Deutschland klirrende Kälte bringen soll. Ich möchte Ihnen heute zeigen, warum der Begriff generell, aber gerade hier und jetzt so ein unfassbarer Schwachsinn ist, dass ich trotz meiner glatten Haare Dauerwelle bekäme (so meine Haare überhaupt wüchsen):

Was ist eine „Russenpeitsche“?

Kommen wir zunächst zu dem Begriff selbst. Man merkt ihm sofort an, dass er nicht unbedingt aus dem Vokabular-Urozean stammt, in dem Meteorologieprofessoren ihre Vorträge kochen. Und natürlich ist es auch kein Fachausdruck, weil schon alleine eine „Peitsche“ ihre meteorologische Analogie sucht und nicht findet. Wieso also Peitsche? Dieses versucht die Firma wetter.net, die leider diesen Ausdruck in die hierfür dankbare Boulevard-Medienwelt defäkiert hat, in einem Facebook-Post zu erklären. Es soll sich dabei um einen massiven Kaltluftvorstoß handeln. Von Januar auf Februar 2012 solle ein solch besonders intensives Vordringen von Kälte „von Sibirien über Russland hinweg“ auf den Wetterkarten ausgesehen haben wie eine Peitsche, „die in Richtung Europa schlägt“.

(Geographen gebe ich an dieser Stelle eine Minute Zeit, ihre Schüttelkrämpfe zu beruhigen.)

Inhalt egal, Hauptsache es knallt

„Nettes Wortspiel?“ Ganz abgesehen von der grundschulbildungignorierenden geopolitischen Beschreibung ist mir auch die optische Assoziation einer Peitsche nicht ganz klar. Ich habe mir daher mal bewusst die Karten dieser Zeit angesehen, heute vor sechs Jahren. Was erkennen Sie dort?

850 hPa Temperatur 02.02.2012, 18 UTC
Hier soll eine „Russenpeitsche“ zu sehen sein: Temperatur in ca. 1,5 km Höhe am 02.02.2012 um 19 Uhr. Quelle: www.wetterzentrale.de, Lizenz: Creative Commons Attribution-NonCommercial 4.0 International License.

Wenn ich mir das so ansehe, dann würde ich eher von einem „Westasien-/Osteuropa-Kälte-Motorrad“ sprechen, eine Peitsche vermag ich dort nicht auszumachen.

„Russenpeitsche“ – Damals falsch, heute noch falscher

Aber es geht noch weiter. Nun schrieb der Berliner Kurier am 01.02.2018: „Die Russenpeitsche schlägt wieder zu!“ – Und das ist so falsch, wie nur irgendetwas falsch sein kann. Würde es bei Schulnoten eine 7 geben, bekäme dieser Artikel eine 8!

Denn nun ist es nicht nur der Begriff Peitsche, der mit der Realität nur wenig zu tun hat. Die Luft kommt nicht einmal aus Russland! Denn woher ein Luftpaket kommt, kann jeder selbst herausfinden! Wie, das erkläre ich ihnen in aller Kürze:

Woher kommt die Luft? – Selbst herausfinden mit Rückwärtstrajektorien

Denn die amerikanische Behörde NOAA hat ein freies Tool im Internet, mit dem man, basierend auf Modelldaten, so genannte Trajektorien berechnen kann. Und was wir hier suchen, sind Rückwärtstrajektorien.

Ich gebe zu, dass dieser Begriff vielleicht nicht so griffig ist wie eine Russenpeitsche. Dafür tut er aber auch nicht so weh. Was ist also eine Rückwärtstrajektorie? Es ist sozusagen die Berechnung des Weges, den ein Paket zurückgelegt hat, bis es zu einer gewissen Zeit an einem gewissen Punkt angekommen ist.

Damit das verständlicher wird, habe ich mit dem HYSPLIT Trajectory Model drei Rückwärtstrajektorien für den Flughafen Düsseldorf berechnet.

  • Wenn Sie das nachvollziehen möchten, müssen Sie nur von der oben verlinkten Seite ausgehend auf Compute forecast trajectories klicken.
  • Von dort aus klicken Sie zunächst auf den „Next >>>“ Button, ohne etwas zu ändern.
  • Dann wählen Sie unter „Meteorology“ oben das Modell „GFS 0.5 Degree“ aus. Unter „Source Location“ wählen Sie „Airport or WMO ID“ und geben dort „EDDL“ ein. Das ist der ICAO-Code für den Flughafen Düsseldorf. Ein paar weitere finden Sie hier.
  • Beim „Meteorological Forecast Cycle“ auf der nächsten Seite ändern Sie zunächst nichts, sondern klicken wieder auf „Next >>>“.
  • Die nächste Seite sieht kompliziert aus, Sie brauchen aber nur wenige Daten einzugeben. Bei „Trajectory direction“ wählen Sie zunächst „Backward“. Dann ändern Sie die „Start time“ auf den aktuellen Tag und „hour“ z.B. auf „00“. Nun müssen Sie im unteren Teil dieses Abschnitts nur noch festlegen, in welcher Höhe Ihre Luftpakete ankommen sollen. Sie können nur eine Höhe angeben oder bis zu drei („Level 1, Level 2, Level 3“). Ich habe übliche Höhen gewählt, Level 1 = 2 m, Level 2 = 1.500 m, Level 3 = 5.500 m.

Das war’s! Jetzt müssen Sie nur noch nach unten scrollen und ein Mal auf „Request trajectory“ klicken. Und warten, denn sie wird nun berechnet. Wenn die Berechnung abgeschlossen ist, finden Sie ein „.gif“ Link auf der nächsten Seite, und hinter dem versteckt sich Ihre Rückwärtstrajektorie!

Beispiel heute – woher kommt die „Peitsche“?

Das Ergebnis, das ich heute für den Flughafen Düsseldorf berechnete, sieht dann wie folgt aus:

NOAA HYSPLIT backward trajectory 2018-02-06 00 UTC
Rückwärtstrajektorie: Diesen Weg nahmen Luftpakete, die am 06.02.2018 um 1 Uhr MEZ am Flughafen Düsseldorf ankamen. Gezeigt werden verschiedene Höhen: Grün = 5.500 m, Blau = 1.500 m, Rot = 2 m. Quelle: NOAA HYSPLIT Modell, GFS 0,5° Auflösung

Sie sehen: Aus Russland kommt hier derzeit gar nichts, sondern die Pakete, die heute in 2 bzw. 1.500 Metern Höhe am Flughafen Düsseldorf ankamen, befanden sich vor drei Tagen über der Nord- bzw. Ostsee! In 5,5 km Höhe sagt dagegen Luft „Hallo“, die von Irland über Portugal, Spanien und Frankreich nach Düsseldorf kam.  Sie sehen also: Wer derzeit von „Russenpeitsche“ redet, hat nichts, aber auch gar nichts verstanden.

Sie wissen es nun besser. Spielen Sie ruhig ein bisschen mit den Trajektorien herum! Haben Sie noch Fragen dazu? Dann ab damit in die Kommentare!

7 Antworten auf „„Russenpeitsche“ – Was für ein Schwachsinn!“

  1. Hey, meine Person als Hashtag für den perönlichen Blog?

    Da braucht aber jemand offenbarTraffic oder wie andere sagen würden: „Hauptsache es knallt!“

    Gern geschehen.

    Liebe Grüße,
    Dominik Jung

    1. Und inhaltlich gibt es nichts zu sagen?

      (Dass die anderen Annahmen alle falsch sind, wie jeder Blogger weiß, versickert vermutlich in der üblich jungschen Renitenz, lassen wir also als Thema beiseite.)

      1. Sollte ich irgendwann zu viel Zeit übrig haben, schau ich mal im Detail drüber. Mal sehen wann das sein wird ^^ Noch bin ich anderweitig gut ausgelastet. Da kommt bald ne Russenpeitsche…

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