Wie Glatteis entsteht. Erklärt von einem Walross.

Achtung Glätte, Verkehrsschild von Pixabay
Achtung, Glätte! (Foto pixabay.com / Gerd Altmann)

Na, sind Sie heute gerutscht? Oder haben Sie den Weg zur Arbeit schön entspannt gefunden, trotz eventuell montäglich bedingter Stimmungsverzerrungen? Jedenfalls gibt und gab es durch Glätte einige Probleme, und überall in Deutschland sind wir noch nicht damit durch. Dabei sieht es in vielen Regionen gar nicht so nach Winter aus, oder? Ich erkläre Ihnen heute mal, was dort gerade so passiert und warum eben der Winter die meiste Arbeit macht, den man gar nicht so als Winter erkennt. Und ja, auch das Walross kommt noch zu Wort.

Wenn Sie heute Morgen rutschig unterwegs waren, dann gehe ich davon aus, dass Sie irgendwo in der Mitte Deutschlands unterwegs waren (in Nord-Süd-Richtung gesehen) oder im Westen, aber nur, wenn es über Hügel und Berge ging. Je mehr der Montag weiter ging, umso mehr verlagerte sich die Rutschpartie in den Osten, bzw. bleibt sie auch in höheren Lagen erhalten, aber dort sind Sie ja Gerutsche gewohnt.

Und nicht nur bei UBIMET gibt es wild arbeitende Meteorologen und daher im Moment viele bunte Farben auf der Warnkarte für Deutschland, auch sonst rotiert man derzeit beim Vorhersagedienst. Vor allem bei Meteorologen, die für die Beratung von Winterdiensten zuständig sind, gibt es derzeit allerlei frische Bissabdrücke in deren Schreibtischen zu finden. Oder wie es Jens Hoffmann ausrückt, dem wohl experimentierfreudigsten und wortkreativsten aller Meteorologen beim Deutschen Wetterdienst:

„Montag… startet die neue Woche einmal mehr mit einer brisanten und diffizilen Wetterlage, bei der man nicht ohne Weiteres die Füße auf den Schreibtisch legen kann, um sich von möglichen wochenendlichen Anstrengungen zu erholen oder von einem Urlaub in der Karibik zu träumen.“

– Dipl.-Met. Jens Hoffmann, Synoptische Übersicht vom 22.01.2018 08 UTC, Deutscher Wetterdienst

Der Ekel-Winter um die Null-Grad-Marke

Das Problem am Schmuddelwinter, wie wir ihn in vielen Regionen derzeit erleben müssen, ist seine Unentschlossenheit, auf welcher Seite der Null-Grad-Marke er sich denn aufhalten möchte. Für die sonstigen Regionen, in denen sich der Winter offenbar in den letzten Tagen zu einem erwartungsgemäßen, nämlich schnee-weißen Verhalten durchgerungen hat, sieht es anders aus. Dort nämlich möchte er sich ab jetzt doch lieber mehr einer Plusgradigkeit widmen. Und genau dieser Übergang von „gemäßigt kalt“ hin zu „milder“, der gerade stattfindet, bringt eben noch eine ganze Menge von Unwägbarkeiten. Aber warum geht es teils schon jetzt, teils erst in den nächsten Stunden oder Tagen wieder milder zu?

Wetterlage

FU Berlin Bodendruck Analyse mit Hoch- und Tiefdrucknamen, BWK
Analyse des Bodendrucks vom 22.01.2018, 1 Uhr MEZ. Quelle: FU Berlin und Aktion Wetterpate (Hoch- und Tiefdrucknamen)

Nach Durchzug der aggressiven Orkantief-FRIEDERIKE vom letzten Donnerstag, an die Sie sich sicherlich gut erinnern werden, wenn sie ihnen diverse Bäume in ihrer Nähe vor die Füße geworfen hat, hat sich zunächst gemäßigt kalte Luft bei uns breit gemacht. Zum Teil sichtbar anhand des gefallenen Schnees, zum Teil – wie heute noch hier in Berlin – weniger sichtbar, sondern einfach nur fühlbar durch zarte Minusgrade. Dies ist jedoch gerade dabei, sich zu ändern.

Ursache ist ein Tiefdruckkomplex bei Island mit Tief GEORGIA, das aber nur der Beginn für weitere Tiefs ist. Durch die Pfeile in der obigen Abbildung habe ich kurz zu skizzieren versucht, was am Boden (!!! « das „am Boden“ ist wichtig, merken Sie sich das für gleich) passiert. Der Tiefausläufer, also diese Warm- bzw. Okklusionsfront, die Sie dort sehen, markiert den Übergang von Kaltluft, die sich mit dem ruhigen Hoch CHRISTIAN jetzt ostwärts verabschiedet, hin zu milderer Meeresluft.

Das kleine Problemchen dabei ist allerdings, dass GEORGIA ganz anders besaitet ist als FRIEDERIKE. Denn während das Orkantief letzte Woche die Luftmassen wie mit einem Baseballschläger durch Deutschland geprügelt hat, schiebt GEORGIA nur sehr zaghaft und unsicher die mildere Luft zu uns. Und das sogar umso zaghafter, je mehr seine Front nach Osten voran kommt. Das liegt zum einen an dem Hoch CHRISTIAN und zum anderen auch daran, dass sich die Front zunehmend so hinlegt, wie in der Höhe der Wind weht. Und wenn eine Front quasi parallel zum Wind liegt, dann gibt es keinen Antrieb mehr, der sie weiter voran bringt.

Schnee oder Regen?

Also, Sie sehen schon: Zu aggressiv bedeutet nichts Gutes, dann fliegen Ihnen Bäume um die Ohren. Zu sachte zu sein hat aber auch so seine Tücken. Denn so unentschlossen wie für kalt oder warm sieht es dann auch bei „Schnee“ oder „Regen“ aus. Darum startete dieser Montag auch in den verschiedenen Regionen von Deutschland ziemlich unterschiedlich:

Während es in Hamburg durch Schnee einige Unfälle gab, entstanden dann in Ulm und um Ulm herum (endlich gibt es einen legitimen Grund, dieses mal schreiben zu können) Glätteunfälle nicht nur durch Schnee, sondern auch durch Glatteis. Zur gleichen Zeit stand man in Düren bei 7 Grad oder in Freiburg im Breisgau bei 10 Grad(!) heute Morgen um 7 Uhr im Regen und fragte sich, wo das denn nun Winter sein soll. Immerhin ist von Freiburg aus der Schnee ja nicht so weit entfernt. Es liegt ja noch mehr als genug im höheren Schwarzwald, allerdings kommt auch schon eine Menge in getauter Form durch die Flüsse geschoben, womit wir bei der Hochwasser-Problematik wären (dafür verweise ich aber auf die Pegeldeutschland-Seite des Kollegen Andreas Wagner).

Antje, das Walross erklärt das Problem

Zurück zum Thema. Der Grund für das ganze Chaos ist, dass die warme Luft in der Höhe schneller von West nach Ost vorankommt als am Boden. Warum? Weil warme Luft leichter ist und so auf die schwere aufgleitet, und weil zudem die schwere kalte Luft auch noch vom Erdboden gebremst wird. Was in der Atmosphäre also gerade durch das Tief GEORGIA passiert, ist in etwas das hier:

(Meine Generation, die NDR empfangen konnte, wird dieses Video gut kennen.) Das Zeugs, das Antje, das Walross da wegschlabbert (haben Sie sich eigentlich auch schon gefragt, was das sein soll?) repräsentiert die schwere, am Boden hängende Kaltluft. Darüber schwappt das leichtere Wasser, welches unsere Warmluft darstellen soll, und es schwappt schneller darüber, als das zähe Zeugs da unten weggespült wird.

Analog sieht das beim Wetter so aus: Von links nach rechts kommt in der folgenden Skizze die Warmluft an. Zuerst in der Höhe, dann am Boden. Und dementsprechend ergeben sich bei passenden Temperaturen folgende möglichen Niederschlagsarten:

Types of precipitation in German, Source: National Weather Service
National Weather Service, Precipitation by type, aus dem Englischen übersetzt, CC0 1.0

Der oben angesprochene, ausgesprochen nasse Mensch aus Freiburg im Breisgau stand also im übertragenen Sinne links im obigen Bild (im Westen), in Berlin befindet man sich allerdings auch am Montagabend noch auf der rechten Seite des Bildes mit Schneefall bei rund um 0°C. Und dazwischen gab und gibt es eben eine Mischung aus den fiesen Arten des Niederschlags zwischen Schneeregen und gefrierendem Regen. Insbesondere der gefrierende Regen, der ja in den Medien gerne unter dem Namen „Blitzeis“ verkauft wird, ist derbe tückisch. Zusätzlich problematisch ist dabei noch, dass die Frage nach Schnee oder Regen so unmittelbar im Übergangsbereich eben auch noch abhängig ist von

  • der genauen Höhe des Betrachters
  • der Intensität des Niederschlags
  • der Stärke des Windes,

um nur einige Faktoren zu nennen. Was Sie nun vielleicht auch einsehen werden ist, dass zum Beispiel eine Wetter-App niemals in der Lage ist, genau vorherzusagen, ob Schnee oder Regen fällt, ob Sie in diesem Übergangs-Bereich also noch einen Schneemann bauen können, oder ob Sie sich kurz danach mittels Glatteis auf den Hintern setzen.

Wo ist es noch glatt?

Ich hoffe, ich habe Ihnen die Herausforderung in der Vorhersage einigermaßen darlegen können. Falls nicht, fragen Sie mich in den Kommentaren! Und falls Sie unterwegs sind: Passen Sie heute Abend und in der Nacht also vor allem noch in der Mitte Deutschlands in den Mittelgebirgen bis auch Richtung Bayerischer Wald auf gefrierenden Nieselregen oder ähnliche Sauereien auf. Weiter Richtung Nordosten kann es noch leicht schneien, im Erzgebirge auch etwas handfester in Form mehrerer Zentimeter Neuschnee.

Eine Antwort auf „Wie Glatteis entsteht. Erklärt von einem Walross.“

  1. Ich konnte ohne Schwierigkeiten zum See laufen, es kamen nur einzelne Schneeflöckchen herunter, die kaum die Erde bedeckten. Mit rutschen war es zum Glück nichts 😉
    Aber der See hatte auf der Ostseite noch Eis.

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